Mittwoch, 24. Februar 2010

3sat.online-Artikel: Mit-Gastgeber Olympias

http://www.3sat.de/3sat.php?/nano/gesellschaft/142191/index.html


Mit-Gastgeber Olympias
Ureinwohner kämpfen nach wie vor mit Problemen
"Es ist das erste Mal bei Olympia, dass Ureinwohner als Partner und auf Augenhöhe, einbezogen werden", sagt Justin "Sky" George. Der Häuptling der Tsleil-Waututh-Nation sagt, "wir machen heute Geschichte." Die "First-Nations", die Ureinwohner Kanadas, sind offizielle Mit-Gastgeber der Olympischen Spiele. "Das setzt Maßstäbe. In den Verhandlungen waren wir gleichberechtigt und unsere Nation bekommt von der Regierung rund 17 Millionen Dollar. 15 Millionen werden wir ausgeben, um unser altes Land zurückzukaufen. Die Perspektiven sind nicht schlecht."
Die Austragungsorte der Olympischen Winterspiele liegen im Stammesgebiet der Ureinwohner. Auch wenn sie ihr Land nie verkauften, hatten sie es zunächst verloren. Auch ansonsten hatten die "First Nations" lange keine Rechte. "Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Regierung unsere Geschichten, Tänze und Lieder verbot", erinnert sich Justin "Sky" George. "Wir durften unsere Sprache nicht sprechen und uns nicht versammeln. Wir kämpften und starben in den Kriegen für Kanada, durften aber nicht wählen. Weiterführende Schulen waren uns verboten. So gesehen ist unsere Situation heute ein riesiger Fortschritt." Natürlich sei man noch nicht am Ziel, "aber wir können endlich zeigen wer und was wir sind".
Die "First Nations" standen auch im Mittelpunkt der Eröffnungsfeier: Ihre Häuptlinge begrüßten die Gäste aus aller Welt mit vier riesigen Totemfiguren mit ausgestreckten Armen. Die Eröffnungsfeier wurde zu einer Zeitreise durch 12.000 Jahre kanadische Geschichte und Botschaft der Versöhnung mit den Ureinwohnern, mit Tänzen, Gedichten, Gesängen und vielen Ehrerweisungen an "Mutter Natur".

Der Aufstand der Olympia-Verlierer in Vancouver

Doch nicht überall ist die Begeisterung der Ureinwohner so groß: Die Botschaft ist einfach, aber brutal. "Olympia + Harper = Hakenkreuz" ist auf ein weißes Banner am Zaun des "Olympic Tent Village" gepinselt. Nicht weit entfernt knackt ein Lagerfeuer aus alten Holzlatten, an dem die Obdachlosen Vancouvers sich aufwärmen. Es sind die Verlierer des Olympia-Booms, versammelt in Downtown Eastside, um den Menschen die dunkle Seite der Spiele zu zeigen. Kanadas Premierminister Stephen Harper ist eines ihrer Feindbilder, stellvertretend für alle Politiker, die Vancouver strahlen sehen wollen, ohne Rücksicht auf die Armen zu nehmen.
"Ich hause in einer Hütte, während auf meinem Land in diesen Wochen viele Millionen Dollar verdient werden", sagt ein Ureinwohner. Auf seinem T-Shirt sind die olympischen Ringe als Handschellen abgebildet.
Elaine Durocher ist stinksauer. Sie war jahrelang selbst obdachlos, und wenn sie das Leid der Camp-Bewohner sieht, schießen Tränen in ihre wachen Augen. "Ich war Alkoholikerin, auf den Straßen dieser Stadt", sagt sie. "Ich habe meine Kinder geschlagen. Dann habe ich eine nette Unterkunft bekommen. Aber vielen anderen geht es lausig. Wenn sie schlafen, krabbeln Kakerlaken über ihr Gesicht, die Mäuse rennen um ihre Füße."
Die Olympia-Maskottchen stehen in Flammen. Mit verzerrten Gesichtern führen Miga, Quatchi und Sumi einen irren Tanz um ein loderndes Feuer auf, in dem Berge von Dollarscheinen verglühen. Es sind Plakate wie diese, die provozieren, schockieren und aufrütteln. Vancouver wollte sein Problemviertel bereinigen, die Obdachlosen aus den Straßen kehren. Nun hat es ein umso größeres Problem.
Die Obdachlosen haben ein Gelände besetzt, das vom Olympia-Organisationskomitee (Vanoc) gemietet wurde. Sie sind gekommen, um zu bleiben. "Jedesmal, wenn man durch diese Gegend läuft, sieht man, wie Polizisten Obdachlose niederknüppeln. Diese Olympischen Winterspiele verschlimmern die Obdachlosigkeit in der Stadt. Wer kein Dach über dem Kopf hat, wird gebrandmarkt und kriminalisiert", sagt Haupt-Organisatorin Harsha Walia.
Die junge Frau spricht vor einem Banner mit einem riesigen Totenkopf, in dessen leeren Augenhöhlen die olympischen Ringe zu erkennen sind. Erste Erfolge haben die Aktivisten zu verzeichnen. Die Stadt Vancouver hat versprochen, auf dem besetzten Gelände für die Obdachlosen Unterkünfte zu errichten. Doch Walia ist das nicht genug. Der Aufstand der Olympia-Verlierer geht weiter.


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