Freitag, 30. Mai 2008

Kanada: Residential Schools

Posted by MNN Mohawk Nation News www.mohawknationnews.com



Dieser Artikel wurde den Medien in Kanada in der vergangenen Woche zur Exklusivveröffentlichung angeboten. Die folgenden Medien lehnten eine Veröffentlichung ab bzw. ignorierten das Angebot:

The Globe and Mail, The National Post, The Montreal Gazette, The Toronto Star, The Ottawa Citizen, The Ottawa Sun, The Winnipeg Free Press, The Edmonton Sun, The Vancouver Sun, The Province, The Alberni Valley Times, The Epoch Times, and the Victoria Times Colonist



Warum eine Entschuldigung falsch ist, und uns in die Irre führt:


Bringing Humanity to Bear on the Residential School Atrocity


by Rev. Kevin Annett


Rend your hearts, and not your garments~Joel 2:17


Stellen Sie sich einen Augenblick vor, Ihr Kind wird vermisst und kommt nie wieder nach Hause. Nach vielen Jahren wird die Person, die für den Tod Ihres Kindes verantwortlich ist, gefunden, wird aber nicht festgenommen und inhaftiert, da sie sich für den Verlust, den Sie erlitten haben "entschuldigt". Die Person bietet Ihnen sogar an, sich mit Ihnen "zu versöhnen".

Wie würden Sie sich fühlen?

Behalten Sie dieses Gefühl im Hinterkopf, und jetzt vervielfachen Sie diesen Verlust um viele Tausende von Kindern und nehmen Sie als schuldige Person die Regierung und die Kirchen von Kanada. Wenn Sie dies tun, haben Sie sich den Verbrechen der Residential Schools auf menschliche Art und Weise genähert.

Einer meiner früheren Schützlinge formulierte dies so:

"Was wir diesen Indianerkindern angetan haben, war abscheulich, dies kann man nicht mit Worten oder mit Geld wiedergutmachen. Wir müssen unsere Herzen entzwei reißen und sie verändern. Wir müssen uns selbst vor Gottes Gericht verantworten."

Ich bezweifle, dass Stephen Harper mit einer Entschuldigung zufrieden wäre, wenn ihm seine eigenen Kinder weggenommen und getötet worden wären, weil sie bekennende Christen sind. Aber am 11. Juni 2008 wird er in unserem Namen sprechen und anderen Völkern eine Entschuldigung für die Tötung ihrer Kinder anbieten.

Dies alles scheint mehr als grotesk zu sein, wenn nicht sogar obszön. Bei Toten kann sich niemand entschuldigen. Die Wahrheit aber ist, dass die von der Regierung geplante "Entschuldigung" gegenüber den Indianern eine Übung in Täuschung, vor allem in Selbsttäuschung ist.

Kennen wir eigentlich wirklich die Bedeutung des so schnell ausgesprochenen Wortes "Entschuldigung"?

Laut einem Internet-Wörterbuch hat das Wort zwei Bedeutungen: a) "das Bekenntnis oder das Bereuen eines Fehlers oder einer Beleidigung" und b) "eine formale Rechtfertigung, Verteidigung oder eine Ent-schuldigung für begangene Taten".

Also kann eine Entschuldigung in unserem Verständnis einmal ein wirkliches Bereuen einer Tat bedeuten, aber es kann genausogut ein Weg sein, die Übernahme der Verantwortung für begangene Taten zu vermeiden, indem man sich vor dem Opfer rechtfertigt.

Die Bedeutung des Wortes im Rechtsverständnis ist noch etwas anders, und hat mit Bedauern nichts zu tun: "Entschuldigung" ist definiert als "Befreiung von der Schuld an einer begangenen Tat oder Verfehlung".

Eine Befreiung.

Ich nehme an, dass die Regierung von Kanada rechtswissenschaftliche Begriffe benutzt - und nach eigener Aussage "unter dem Gesetz" agiert - und nicht unter dem eingebürgerten alltäglichen Sprachgebrauch. Daher können wir schlussfolgern, dass die Regierung und der Premierminister, wenn sie das Wort "Entschuldigung" benutzen, die rechtswissenschaftliche Bedeutung dieses Begriffs kennen, die "Befreiung von der Schuld an einer begangenen Tat oder Verfehlung".
Mit anderen Worten wird Stephen Harper am 11. Juni der Welt eine Entschuldigung anbieten mit dem Hintergrund, dass die Einrichtung der Residential Schools keine beabsichtigte rechtswidrige Tat waren.

Das überrascht nicht, denn wenn der Premierminister zugeben würde, dass die Einrichtung der Residential Schools vorsätzlich geschah, würde nicht nur er sich vor einem internationalen Kriegsgericht zu verantworten haben.

Weitaus wichtiger ist aber, dass diese Bemühungen unserer Regierung - und der von ihr geschützten Kirchen -, von ihren eigenen Verbrechen exkulpiert zu werden, unter der Illusion stattfinden, eine Versöhnung mit den Indianern anzustreben, wo es doch nur darum geht, die Verantwortung für den Tod Tausender Kinder auf legale Weise von sich abzuwälzen.

Dies war und ist die Linie der Kirchen und des Staates, seitdem im Februar 1996 das erste Gerichtsverfahren von Überlebenden der Residential Schools angestrebt wurde. In den vergangenen Jahren hat eine Armee von Gerichtsgelehrten und Rechtswissenschaftlern auf allen Stufen der kanadischen Gesellschaft einen riesigen Berg von Gegenargumenten gegen einen Holocaust geschaffen, um die Welt davon zu überzeugen, dass der alltägliche Tod und die Folter in den Residential Schools nicht mit Vorsatz begangen worden sind.

Dieses Vorgehen widerspricht jeglicher Logik und jeglichem Menschenverstand, so wie die Erklärungen der von der Regierung völlig irreführend benannten "Kommission für Wahrheit und Versöhnung", in denen es heißt, die Tötung von Kindern sei "nicht beabsichtigt" gewesen, obwohl Beweise zeigen, dass die Kinder der Residential Schools "zu viert oder zu fünft in ein Grab" gelegt wurden, und dass die Todesrate in diesen Schulen über vierzig Jahre lang bei 50% lag.

Um den Erklärungen der Regierung zu glauben, muss man das Zeugnis eines ehemaligen Regierungsbeamten Dr. Peter Bryce ignorieren, der herausfand, dass Kinder in den Residential Schools regelmäßig "mit Absicht übertragbaren Krankheiten ausgesetzt wurden" und dann ohne ärztliche Behandlung starben. Bryce benutzte die Formulierung "mit Absicht". Was sonst hätte den Tod so vieler Kinder verursacht?

All dieses rechtliche Winden und die Vermeidung jeglicher Verantwortung mag der Regierung richtig erscheinen und das Gehalt ihrer intellektuellen Bediensteten sichern, aber es trägt in keinster Weise dazu bei, Wahrheit und Menschlichkeit in Kanada zu verbreiten, und es tötet unsere Opfer noch schneller.

Ich kenne dies alles nur zu gut, da ich viele meiner Stunden als Berater, Anwalt und Chronist für zahlreiche indianische Überlebende der Todeslager, die wir gern Residential Schools nennen, verbracht habe. Und ich habe daraus gelernt, das wir nicht klar kommen werden mit etwas, was wir nicht verstehen.

Die Wahrheit ist, dass die Euro-Kanadische Gesellschaft noch immer nicht versteht, was diese "Schulen" waren, weder mit dem Kopf noch mit dem Herzen. Wenn man den Bediensteten der Kirchen und der Regierung Glauben schenkt, geht es bei den "Residential Schools" nur um Geld und um Wortakrobatik. Aber nicht einer dieser Bediensteten ist, soweit ich weiß, öffentlich unter Tränen zusammengebrochen und hat den Tod so vieler Unschuldiger bedauert, oder hat gar den Familien angeboten, die sterblichen Überreste zurückzuführen und ordnungsgemäß zu bestatten.

Seltsamerweise sprechen dieselben Bediensteten ständig davon, "die Vergangeheit zu heilen", ohne ihre eigene Geschichte überhaupt zu kennen, und über "Lösungen" des "Residential School-Problems", als ob sie verstünden, worin das Problem besteht, und ohne zu begreifen, was William Shakespeare formulierte: "Der Fehler, lieber Brutus, liegt nicht in unseren Sternen, sondenr in uns selbst".

Die Wahrheit ist, es gibt und es gab kein "Indianerproblem" in Kanada. Das Problem ist eher ein "weißes". Das Problem sind wir.

Ich werde jetzt nicht den Klimawandel oder die Truppen in Afghanistan anführen, um das zu beweisen. Ich muss wohl auch nicht aufzeigen, wie paradox es ist, wenn gebildete Männer und Frauen, mit eigenen Familien und einer professionellen "christlichen Moral" es fertigbrachten, den Kindern in den Residential Schools Nadeln durch ihre Zungen zu stecken, dreijährige Kinder Treppen hinunterzuwerfen, gesunde Kinder zu sterilisieren und Kindern absichtlich zu erlauben, sich das Leben aus ihren Tuberkulose-Lunge zu husten, um sie dann heimlich in Gräbern zu verscharren.

Das Problem liegt viel offensichtlicher und viel näher in unserer ständigen Abwertung der indianischen Völker, was ihnen erlaubt, 15x eher zu sterben als der Rest der in unserem Land lebenden Menschen.

Wenn wir Kanadier das sind, was wir uns vorstellen - eine gebildete Gesellschaft, die die Indianer "aufgenommen" hat und gleichberechtigt behandelt - warum wurde dann nicht eine einzige Person für den Tod eines Kindes in den Residential Schools vor Gericht gestellt? Warum ist das Verschwinden von Zehntausenden Indianerkindern in diesen Schulen nicht Gegenstand einer größeren kriminellen Untersuchung? Und warum gibt es einen "Indian Act", und keinen "Irish" oder "Italian Act"?

Kanada, als ein inoffizielles System der Apartheid, das mit zwei verschiedenen Arten der Gerechtigkeit arbeitet - einer für die Indianer und einer für alle anderen - wird nie in der Lage sein, das Erbe der Residential Schools zu verarbeiten, genauso wenig wie es aufhören kann, die Erde für kurzfristigen Gewinn und Luxus zu zerstören. Zumindest nicht auf dieser Seite einer fundamentalen moralischen und sozialen Revolution.

Das Bewusstsein darüber, dass wir von einem sochen Wandel weit entfernt sind, ereilte mich vor einigen Monaten, als die zweifelhafte "Kommisson für Wahrheit und Versöhnung" der Regierung bekanntgab, dass, obwohl es Verbrechen in den Residential Schools gegeben habe, keine gerichtliche Untersuchung dieser Schulen erfolgen werde: eine unglaubliche Verkehrung der Gerechtigkeit, welche nicht einmal ein leises Raunen des Widerstandes in den Medien oder unter den guten Menschen und Politkern von Kanada hervorrief.

Davon unabhängig gibt es Dinge, die getan werden können, um das Erbe des Völkermordes an den Residential Schools zu überwinden und wenigstens den Überlebenden Gerechtigkeit zuteil werden zu lassen.

Besser als verbale und eigennützige "Entschuldigungen" zu veröffentlichen, die nichts ändern, oder eine "Kommisson für Wahrheit und Versöhnung" ohne wirkliche Macht ins Leben zu rufen, wäre es, wenn die Regierung und wir alle die folgenden einfachen Dinge tun würden:

1. Einen offiziellen nationalen Tag der Trauer für die Opfer und die Überlebenden der Residential Schools ins Leben rufen.

2. Alles aufdecken, was in den Residential Schools geschehen ist - die Verantwortlichen, die Täter und die Vertuscher benennen - durch ein Internationales Krigesverbrechertribunal, dass die Macht hat, die Verantwortlichen aufzuspüren, zu verhaften und zu verurteilen.

3. Die sterblichen Überreste der Kinder, die in diesen Schulen starben, heimbringen, ordnungsgemäß bestatten und öffentliche Gedenkstätten für sie errichten.

4. Ein Nationales Indianisches Holocaust-Museum einrichten.

5. Die Steuerbefreiung für die Katholische, die Anglikanische und die United Church of Canada aufheben, entsprechend den Prinzipien von Nürnberg für an Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligte Organisationen.

6. Den "Indian Act" abschaffen und das Büro für "Indian and Northern Affairs".

7. Die indianische Selbstbestimmung anerkennen und alles gestohlene Land einschließlich der Bodenschätze an die indigenen Nationen zurückgeben.

Eine irische Bekannte erklärte mir einmal die einfache Formel, mit der ihr Land versucht, acht Jahrhunderte Krieg zu überwinden:

"Zuerst erinnerst Du Dich, dann trauerst Du, dann heilst Du".

Statt die ersten beiden Schritte auszulassen, wie es Mr. Harper und zu viele unserer Landsleute tun, die versuchen, sich "zu entschuldigen", wird es Zeit, dass die Kanadier den Mut finden, sich wirklich zu erinnern und vor der Welt einzugestehen, was wir den Ureinwohnern dieses Landes angetan haben, und unsere Taten zu bereuen wie Menschen, die ihre Herzen von Grund auf erneuern und sich ändern wollen.

Vielleicht kann dann der Begriff "Heilung und Versöhnung" mehr werden als ein überbeanspruchtes politisches Schlagwort.

Rev. Kevin D. Annett260 Kennedy St.Nanaimo, B.C. V9R 2H8250-753-3345


email: hiddenfromhistory@yahoo.ca


website: http://www.hiddenfromhistory.org/


Kevin Annett ist ein Gemeindepfarrer in Vancouver, Autor von zwei Büchern über die Indianischen Residential Schools und ein preisgekrönter Filmemacher.